Veröffentlicht am von Jennifer Schröder
Die Forschungsmethode der Grounded Theory wurde von Anselm Strauss und Barney Glaser gegründet. Sie ist ein bekanntes und beliebtes Modell für die Formulierung neuer Theorien. Im Rahmen der Grounded Theory wird ein theoretisches Modell erarbeitet, das das relevante Forschungsthema komplex erfasst und erlaubt, neue Theorien abzuleiten.Das Ziel der Grounded Theory ist also die Entwicklung einer neuen Theorie der mittleren Reichweite, die in den vorliegenden Daten zum Thema verankert ist, also grounded. Dafür wird ein Prozess verfolgt, der aus dem Wechsel von einer Datenerhebung und Datenanalyse die Bildung von sukzessiven Kategorien ermöglicht. Diese werden miteinander in Bezug gesetzt und erlauben den Ausbau einer neuen Theorie. Mehr dazu im neuen Artikel von Studi-Kompass!
Anwendung der Grounded Theory
Die Grounded Theory kommt vor allem in der qualitativen Sozialforschung häufig zum Einsatz. Denn die Methode erlaubt es, mit ihrer regelgeleiteten Theoriebildung möglichst offen gegenüber dem Forschungsgegenstand zu bleiben. An dieser Stelle sei gesagt, dass diese Art der Theorieerarbeitung sehr zeitaufwendig ist und ein hohes Maß an Eigenstrukturierung erfordert. Sie fand ihren Ursprung in der ethnografischen Forschung. Daher wurden vor allem Beobachtungsdaten für die Anwendung der Theorie genutzt. Im Laufe der Zeit hat sich die Methode aber vor allem für die Interviewauswertung etabliert. Moderne Ansätze diskutieren, ob sich die Grounded Theory auch für die Analyse von Filmen oder Bildmaterial eignen könnte.
Grounded Theory am Beispiel erklärt
Es werden also eine Reihe von Daten zu einem bestimmten Thema gesammelt, analysiert und in Bezug zueinander gesetzt. Ein einfaches Beispiel hierfür ist zum Beispiel das Behandlungskonzept für Suchterkrankungen.
- Das zentrale Phänomen ist die Behandlung der Suchterkrankung.
- Dem Voran steht die sogenannte ursächliche Bedingung – in diesem Fall die Art der Suchterkrankung.
- Im Kontext zur Suchterkrankung stehen zum Beispiel mögliche Auslöser, die Länge der Erkrankung und Behandlungswege.
- Im direkten Zusammenhang mit dem Phänomen steht die Strategie – hier zum Beispiel eine Entgiftung mit nachfolgender Langzeitrehabilitation.
- Ebenfalls im Bezug zum Phänomen und im Bezug zur Strategie stehen die Konsequenzen, welche hier die Kontrolle des Suchtverhaltens bzw. die Eliminierung des Suchtverhaltens darstellen.
Charakteristik der Grounded-Theory-Methodologie
Die konkrete Anwendung der Grounded Theory Methodologie wurde im Laufe der Zeit mehrfach ausdifferenziert. Allerdings gibt es einige charakteristische Grundüberlegungen, die sich im Laufe der Zeit gehalten haben:Wechsel aus Datenerhebung und Datenanalyse
- Konzeptualisierung
- Theoretische Sättigung
- Theoretisches Sampling
- Memo Writing
Die Analyse im Rahmen der Grounded-Theory-Methodologie setzt im Idealfall direkt nach der ersten Datenerhebung ein. Denn die Benennung der Fälle und Materialien wird sukzessiv nach theoretisch entwickelten Gesichtspunkten durchgeführt, die auf den Daten basieren.
Konzeptualisieren
Das Codieren steht immer im Mittelpunkt der Grounded-Theory. Es kommen eine Reihe von Codierarten zum Einsatz. Diese sollen dabei helfen, die Daten über eine einfache Beschreibung hinaus zu begreifen. Die Codierung wird genutzt, um aus den Daten relevante Gesamt- und Einzelkonzepte zu entwickeln.
Theoretische Sättigung
Im Rahmen der Analyse und Datenerhebung kommt es zu einem anhaltenden Vergleich. Anhand dieser vergleichenden Analyse werden vernetzte Kategorien ausgebildet. Je mehr vernetzte Kategorien vorhanden sind, umso dichter die Grundlage für die Theoriebildung. Die theoretische Sättigung ist erreicht, wenn man aus dem Wechsel von Datenerhebung und Analyse keine neuen Erkenntnisse schließen kann.
Schreiben von Memos
Eine besondere Relevanz wird dem Schreiben von Memos zugeschrieben. Die Memos dienen einer Reihe von Eckpfeilern des Forschungsprozesses:
- Strukturierung
- Reflexion
- Ideenentwicklung
- Konzeptionierung
Codierverfahren
Die Codierung innerhalb der Grounded-Theory kann auf unterschiedlichen Wegen realisiert werden. Im deutschen Sprachraum wird häufig auf einen dreigliedrigen Analyseprozess zurückgegriffen:Offenes Codieren
Das offene Codieren steht am Anfang. Die vorliegenden Daten werden in kleinen Teilen analysiert. Dafür werden sie in Sinneinheiten unterteilt und individuell auf deren konzeptuellen Gehalt interpretiert. Den einzelnen Sinneinheiten teilt man Codes zu. Dies soll eine theoretische Abstraktion der Daten ermöglichen, die über eine einfache Beschreibung hinausgeht. Ein Weg, dies zu realisieren, ist die Beantwortung von W-Fragen:
— Was - um welches Phänomen handelt es sich?
— Wer - wer ist beteiligt? Wer übernimmt welche Rolle?
— Wie - wie wird das Phänomen behandelt, welche Aspekte werden nicht betrachtet?
— Wann und wo - gibt es hier eine lokale bzw. zeitliche Relevanz zu berücksichtigen?
Axiales Codieren
Die nächste Phase ist das sogenannte axiale Codieren. In diesem Schritt wird das erstellte Codierparadigma genutzt, um Kategorien zu präzisieren und miteinander in Verbindung zu setzen. Die Kategorien werden immer unter der Berücksichtigung des Phänomens der Forschungsansätze betrachtet und in einem rationalen Gefüge geordnet. Dabei wird unter anderem zwischen dem Kontext und der ursächlichen wie intervenierenden Bedingung unterschieden. Auch Strategien und Konsequenzen werden separat definiert.
Diese konkrete Erarbeitung und Abgrenzung von den Bedingungen und dem Kontext sowie der Unterlassung bzw. Handlungen erlaubt es, Routinen zu definieren und deren Folgen innerhalb des festgelegten sozialen Rahmens zu erkennen.
Selektives Codieren
Das selektive Codieren ist der abschließende Schritt. Hier wird das vorliegende Netzwerk genutzt, um eine konkrete Theorie zu formulieren, welche durch die erarbeiteten Daten gestützt wird.
Fazit
Die Grounded Theory Methodologie ist ein beliebtes Konzept für die Erarbeitung von begründeten Theorien. Aufgrund der großen Arbeitslast, die mit diesem Forschungsansatz zusammenhängt, eignet sie sich jedoch nur bedingt für die Auswertung von komplexen Konzepten. Wichtig ist dabei, dass die Codierung sukzessiv vorgenommen wird.
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