Objektivität als Gütekriterium für die quantitative Forschung

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Die Objektivität bezeichnet die Unabhängigkeit der Ergebnisse für den Beobachter. Zum Beispiel könnten verschiedene Personen, die nicht voneinander abhängen, die Körpergröße einer bestimmten Person erfassen. Sollten die Messungen der Beobachter zum gleichen Ergebnis kommen, spricht man davon, dass die Korrelation der Messungen eins beträgt. In diesem Fall spricht man von einer perfekten Objektivität. Weitere Informationen dazu findest Du in diesem neuen Artikel von Studi-Kompass!

Die Unabhängigkeit der Beobachter gilt im Zusammenhang mit dem Testgütekriterium Objektivität nur sehr allgemein. Die Beobachtung bleibt nicht nur auf die Methode der Datenerhebung beschränkt. Allgemein unterteilt sich die Objektivität in diese drei Arten: 
  • Objektivität der Durchführung
  • Objektivität der Auswertung
  • Objektivität der Interpretation 


Definition Objektivität

In einer empirischen Forschung spricht man von Objektivität, wenn der Forschende selbst den Forschungsprozess nicht beeinflussen kann. Bei deiner Untersuchung müssen die Bedingungen Auswertungsobjektivität, Interpretationsobjektivität und die Durchführungsobjektivität gegeben sein. Nur dann kann von einer gewissen Fairness deiner Untersuchung gesprochen werden. 

Drei Faktoren können Einfluss auf die Objektivität deiner Forschung nehmen: 
  1. Forschungsumgebung 
  2. äußeres Erscheinungsbild
  3. individuelle Einstellungen 

Forschungsumgebung
Bei allen Versuchspersonen muss die Messung in einem ähnlichen Umfeld durchgeführt werden, damit für alle faire Bedingungen herrschen. 

Beispiel für objektiv: 
Alle Zweitklässler müssen einen Fragebogen in einem anderen Prüfungsraum ausfüllen.
Beispiel nicht objektiv: 
An manchen Schulen darf die Lehrperson mit im Zimmer bleiben und den Schülern Tipps geben.

Äußeres Erscheinungsbild
Der Durchführende der Forschung kann die Antworten der Versuchspersonen erheblich beeinflussen. 

Beispiel objektiv: 
Den Zweitklässlern wird von einer neutralen, außenstehenden Person der Grund für die Forschung erklärt.
Beispiel nicht objektiv:
Von der Direktorin der Schule wird den Schülern subjektiv die Wichtigkeit dieses Fragebogens nahegebracht und damit eingeschüchtert. 

Individuelle Einstellungen
Die durchführende Person der Auswertung darf in keiner Verbindung zu den Teilnehmenden stehen und keine individuellen Meinungen oder Sympathien in der Auswertung berücksichtigen. 

Beispiel objektiv: 
Die Auswertung der Fragebogen der Zweitklässler erfolgt nach Standard von einer außenstehenden Person.
Beispiel nicht objektiv: 
Der Lehrer wertet die Fragebogen der Zweitklässler aus, wobei er eventuell aus Sympathie die der schlechteren Schüler subjektiv besser bewertet. 


Arten der Objektivität

Die Objektivität kann mit einer Person oder auch zwischen mehreren Personen erhoben werden. Unterschieden wird zwischen der Art der Objektivität: 
  • Interindividuelle Objektivität
Die Personen, die am Forschungsprozess teilnehmen, sollen stets die gleichen Ergebnisse erzielen. Aufgrund der unterschiedlichen Eigenschaften und Verhaltensweisen der Menschen kann es zu verschiedenen Ergebnissen kommen, zu einer niedrigen interindividuellen Objektivität.
  • Intraindividuelle Objektivität
Die Tagesform und die Stimmung derselben Person kann deutlich Einfluss auf die Ergebnisse eines Versuchs nehmen, man nennt das die intraindividuelle Objektivität.

Unabhängig von der durchführenden Person müssen objektive Ergebnisse erzielt werden. Außerdem lässt sich Objektivität im Forschungsprozess in drei verschiedenen Phasen garantieren und berechnen. 


Durchführungsobjektivität

Damit wird die Unabhängigkeit der Ergebnisse von der durchführenden Person auf einen Versuch oder Messung bezeichnet. Beispielsweise darf ein Interviewer durch seine Erwartungen an die Teilnehmer das Verhalten und damit die Ergebnisse nicht verfälschen. Das könnte sein, wenn sie auf eine Frage nicht so antworten wie sie denken, sondern was der Interviewer erwartet. 

Zur Erhöhung der Durchführungsobjektivität sollte der zwischenmenschliche Kontakt bei Befragungen und Versuchen sehr gering sein und die Interaktion so gut wie möglich standardisiert ablaufen. Die verschiedenen durchführenden Personen müssen demnach unter gleichen Bedingungen gleiche Daten produzieren. 


Auswertungsobjektivität

Dieser Begriff kennzeichnet die Unabhängigkeit der Ergebnisse von der Person, die den Versuch auswertet. Beispielsweise könnten nicht eindeutig ausgefüllte Fragebögen verschieden interpretiert werden, so dass gleiche Verhaltensweisen von Konsumenten unterschiedlichen Kategorien zugeordnet werden. 

Um den Abweichungen durch zum Beispiel mangelndes Training, Ermüdung, emotionale oder physische Verfassung oder Ablenkung der auswertenden Personen entgegenzuwirken, könnten umfangreiche Trainingsmaßnahmen durchgeführt werden. Um die Auswertungsobjektivität zu überprüfen und zu erhöhen, sollte die Auswertung von mehreren unabhängigen Personen parallel durchgeführt werden. Darüber hinaus übersehen mehrere Auswerter, besonders bei Beobachtungsstudien, nicht so leicht wichtige Informationen. 


Äquivalenz

Die Reliabilität, zu Deutsch Zuverlässigkeit, gibt die formale Genauigkeit, bzw. Verlässlichkeit wissenschaftlicher Messungen wieder. Sie ist ein bestimmter Anteil an der Varianz, die unabhängig von Messfehlern die realen Unterschiede des zu messenden Merkmals deutlich macht. 

Sehr reliable Ergebnisse dürfen nach Möglichkeit nicht von Zufallsfehlern behaftet sein, so dass jede Wiederholung der Messung unter gleichen Bedingungen das gleiche Messergebnis zeigen würde. Man spricht hier von einer Replizierbarkeit von Ergebnissen unter gleichen Bedingungen. 

Die Reliabilität gehört neben der Validität und Objektivität zu den drei wesentlichen Gütekriterien für empirische Untersuchungen und beinhaltet drei Aspekte: 
  • Stabilität - Gleichheit der Messergebnisse zu unterschiedlichen Zeitpunkten 
  • Konsistenz - Alle Items, die in einem Test zu einem Merkmal zusammengefasst werden, messen dasselbe Merkmal. 
  • Äquivalenz - Gleichwertigkeit von Messungen 


Berechnung von Objektivität

Unter anderem gibt es in der Wissenschaft die „Interrater-Reliabilität“, die die Abweichungen oder Übereinstimmungen zwischen den Auswertern von Daten bezeichnet. Die Übereinstimmung der Auswerter verbindet die beiden Gütekriterien Reliabilität und Objektivität und gibt die Übereinstimmungen der von mehreren Personen durchgeführten Datenauswertung und Dateninterpretation wieder. Komplett erfüllt ist sie bei einer völlig objektiven Auswertung und Interpretation.

Beispielsweise findet die „Interrater-Reliabilität“ in Milieustudien Anwendung, ebenfalls bei der Zuordnung von Befragten in vorher festgelegten Kategorien oder der Diagnostik in der Psychologie. Generell handelt es sich dabei um eine Maßeinheit für eine interindividuelle Objektivität.

Berechnen oder bestimmen lässt sie sich in der Regel nicht von Hand, obwohl das rechnerisch über eine spezielle Formel möglich ist. Verwende zur Bewertung von „Interrater Reliabilität“ besser die Hilfsmittel SPSS oder Microsoft Excel. Wenn du wissen möchtest, auf welche Höhe sich die Übereinstimmung der Auswerter bei einer bestimmten Erhebung beläuft, werfe einen Blick auf die vorhandenen Daten. Mit der Nutzung des Koeffizienten „Cohens Kappa“ kannst du Berechnungen anstellen, wenn exakt zwei Rater an der Auswertung beteiligt sind. 


Objektivität erhöhen – Tipps

Mit diesen Maßnahmen kannst du die Objektivität von Ergebnissen erhöhen:
  • Reduziere den zwischenmenschlichen Kontakt bei Erhebungen und Versuchen. Sollte sich ein Kontakt nicht vermeiden lassen, solltest du ihn optimal standardisieren. Unter anderem könntest du ganz klare Antworten und Instruktionen vorgeben oder die Versuchsleiter einem Training unterziehen. 
  • Gewährleiste, dass die Auswertung von kompetenten und wachen Personen vorgenommen wird, die auch funktionierende Systeme wie zum Beispiel eine geeignete Software nutzen.
  • Spare nicht am falschen Ende und lasse Mitarbeiterbefragungen nicht von Werkstudenten oder Rezeptionisten auswerten. Das kann katastrophale Folgen nach sich ziehen, wenn zum Beispiel mit der falschen Formel gerechnet oder Daten unbemerkt falsch in Excel einsortiert werden. Es liegen Erkenntnisse aus der Praxis vor, nach denen nicht ausgeschlafene Personen unter extremem Zeitdruck Auswertungen vornahmen. Die Daten waren nur noch für den Müll und es war schade um den ungeheuren Aufwand. 
  • Lasse parallel von mehreren Personen auswerten oder wenigstens in enger Absprache, Abstimmung und nach dem Vier-Augen-Prinzip. Unterschiede werden sofort sichtbar und können in einer Diskussion ausgeräumt werden. 
  • Wenn möglich, solltest du standardisierte Instrumente mit ganz klaren Vorgaben einsetzen. Die Daten sollten mehrere Personen unabhängig parallel interpretieren, um Unstimmigkeiten in einer Diskussion auszuräumen. 
  • Setze mehrere Personen zur Durchführung, Auswertung und Interpretation ein. Auf diese Weise fallen Abweichungen auf, die einzelne Personen verursacht haben. Diese ungewollten Einflüsse lassen sich berechnen und reduzieren.
  • Die interindividuelle Objektivität solltest du unbedingt berechnen lassen. 

Versuche alle geschilderten Maßnahmen einzuhalten, damit du die vorhandenen Ergebnisse auf ihre Objektivität einschätzen kannst. Wenn du nur wenige dieser Maßnahmen befolgst, verminderst du voraussichtlich die Objektivität der Ergebnisse erheblich.
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Rebecca Kremer
Von Beruf ist Becci Übersetzerin für Englisch und Französisch mit langjähriger Erfahrung im schriftlichen als auch im mündlichen Bereich. Als Ausgleich zur Arbeit schreibt sie gerne Artikel an unserem Blog und teilt ihre Kenntnisse aus dem Studium mit Studierenden.